INITIATIVE OFFENER REUMANNPLATZ

Eine Gruppe von am Reumannplatz ansässigen Unternehmern, repräsentiert von  Cafetier und Fashion Shop-Betreiber Stefan Harnisch, Apotheker Reinhard Scholda, Intercoiffeur Peter Strassl und Eismacher Kurt Tichy, ist angetreten, «den Platz neu zu erfinden» (Harnisch in Favoriten Journal, Sept. 2018). Im Zentrum des «erneuerten« Platzes soll ein großer «Gastro-Pavillon» mit geplanten 100 Sitzplätzen stehen. Laut Zeitungsmeldungen hat sich Bezirksvorsteher Marcus Franz den Ideen der Unternehmer angeschlossen. Gebaut soll ab Anfang 2019 werden.

Die Initiative Offener Reumannplatz ist entschlossen, diese Pläne zu verhindern, und führt dafür folgende Gründe an:

  1. Entgegen den Behauptungen der Unternehmergruppe brachte die Verlängerung der U1 kein «rapides Absacken der Passantenfrequenz» am Platz.Der Reumannplatz und der unmittelbar anschließende Teil der Fuzo Favoritenstraße ist der lebendigste Platz Wiens geblieben. Vergleichbare Frequenzen bestehen nur im Bereich Kärntnerstraße / Graben / Schwedenplatz und in der Inneren Mariahilferstraße;  dort ist jedoch die BenützerInnendichte vom Tourismus determiniert. Der Reumannplatz lebt durch die Bevölkerung des Grätzls.
  2. Was den Reumannplatz gegenüber allen anderen Plätzen Wiens auszeichnet, ist seine außergewöhnliche Öffentlichkeit. Diese wird generiert durch den großzügigen Sitzbank-Reigen, eine Einmaligkeit im Wiener Maßstab. Bei trockenem Wetter nützen pro Tag hunderte AnrainerInnen und BesucherInnen des Bezirks OHNE KONSUMZWANG die Möglichkeit, sich vom Alltagsdruck zu erholen. Wie die veröffentlichte Bildmontage zeigt, sind rund um den geplanten Gastronomiekomplex keine konsumfreien Sitzplätze mehr vorgesehen. Eine so verstandene «Neuerfindung» ist eine euphemistische Wendung für die Gentrifizierung des Platzes.
  3. Gentrifizierungsprozesse untergraben die Lebensgewohnheiten der Menschen in untersten Einkommensklassen, insbesondere eines großen Teils der migrantischen Bevölkerung des Grätzls. Ein PR-Text der Unternehmergruppe spricht in diesem Zusammenhang von einem «zweifelhaften Publikum», das durch die Kommerzialisierung des Platzes verdrängt werden soll. Falls die «Neuerfindung» des Platzes tatsächlich als Trennung der «inländischen« und migrantischen Bevölkerung verstanden wird, muss sie aus integrationspolitischen Gründen scharf zurückgewiesen werden.
  4. Aus denselben Gründen muss die Intention der Unternehmergruppe hinterfragt werden, ihr Plan sorge für mehr Sicherheit am Platz. Damit suggeriert sie, der Reumannplatz sei in der derzeitigen Verfassung, d.h. durch den Grad der Offenheit, ein Generator für Gewalt und Rechtlosigkeit. Für dieses Urteil gibt es keinerlei statistische Beweise.
  5. Der angeblich von der Bezirksvorstehung unterstützte Plan der Unternehmergruppe wird der Bevölkerung als Resultat eines partizipativen Prozesses verkauft. Tatsächlich werden die Ergebnisse eines 2017 wirklich anrollenden, dann aber abgebrochenen BürgerInnenbeteiligungsprozesses entwertet. Kein einziger unter den befragten AnrainerInnen forderte eine Bebauung des Platzes; im Gegenteil, die Befragten sprachen sich für mehr Grün und weniger Verkehr aus.
  6. Die Unternehmergruppe nennt gewaltige Umsatzrückgänge, seit der Platz nicht mehr die Endstation der U-Bahnlinie ist, als Motiv ihres Platzgestaltungs-Engagements. Abgesehen davon, dass Umsatzentwicklungen der ökonomischen «Platzhirschen» kein Hauptkriterium stadtplanerischer Entscheidungen sein dürfen: erstens sind Umsatzzahlen Unternehmergeheimnisse; zweitens ist nicht einsichtig, warum ein neuerrichteter Gastronomiekomplex die Umsätze bestehender Unternehmungen am Platz fördern sollte; drittens müsste im Umkehrschluss festgehalten werden, dass die betroffenen Wirtschaftssubjekte v o r der U-Bahnverlängerung 40 Jahre lang Zusatzumsätze durch den Standortvorteil genossen, der ihnen durch die öffentliche Planung erwuchs.

Die Initiative Offener Reumannplatz verlangt aus diesen Gründen die Zurückweisung des Plans der Unternehmergruppe durch die Bezirksvorstehung und einen Neustart eines demokratischen Planungsverfahrens, das die Ideen sämtlicher an einer weiteren Stärkung des öffentlichen Charakters des Platzes Interessierten thematisiert.